Der hl. Apostel Matthias und die Wallfahrt

Das Neue Testament erwähnt Matthias ein einziges Mal: In der Apostelgeschichte ist seine Berufung zum Apostel überliefert (Apg 1,15-26). Dahinter steckt kein biographisches Interesse.

Das Neue Testament erwähnt Matthias ein einziges Mal: In der Apostelgeschichte ist seine Berufung zum Apostel überliefert (Apg 1,15-26). Dahinter steckt kein biographisches Interesse. Im Vordergrund steht vielmehr die theologische Deutung der Zwölfzahl der Apostel als endzeitliche Sammlung der zwölf Stämme des Gottesvolkes Israel (Mt 26,47-50; Mk 14,43-45; Lk 22,47-48; Joh 18,2-3).

Dieser Kreis war angesichts der Passion Jesu zerbrochen und zwar durch den Verrat des Judas Iskariot(Mt 26,47-50; Mk 14,43-45; Lk 22,47-48; Joh 18,2-3), die Verleugnung des Petrus (Mt 26,74; Mk 14,71; Lk 22,58; Joh 18,25-27) und die Flucht der Jünger (Mt 26,56).

Nach dem Kreuzestod Jesu sammelt sich der Apostelkreis neu durch die Begegnung mit dem Auferstandenen (Mt 28,16-20; Mk 16,14-15; Lk 24,33-34; Joh 20,24-29). Das Zeugnis von der Auferstehung Jesu wird zum wesentlichen Berufungsmerkmal der Apostel (Apg 1,21-22). Die Berufung geschieht durch Gottesentscheid. Der so wiederhergestellte Zwölferkreis leitet die Wiederherstellung des ganzen Gottesvolkes ein.

Der Apostel Matthias ist in erster Linie Zeuge der Auferstehung Jesu. Das ist der wesentliche Inhalt seiner Biographie. Und als solcher begegnet er uns heute. Andere Details seines Lebens sind historisch nicht gesichert und treten dahinter zurück. Die Sammlung derer, die an Christus als den Auferstandenen glauben, ist seine Sendung bis heute und Anlass der Wallfahrt.

Reliquien und ihre Verehrung gehören zu den Eigentümlichkeiten menschlicher Religiosität. Wenn auch ihr Stellenwert in den christlichen Konfessionen offiziell zwischen Förderung und Ablehnung pendelt, so ist sie doch in der Volksfrömmigkeit der meisten Konfessionen ausdrücklich oder unterschwellig verankert. Reliquien erinnern nicht nur an den Verstorbenen. Die Gläubigen hoffen, durch ihre Verehrung seiner Macht teilhaftig zu werden oder Segen zu erlangen. Im Spätmittelalter verband sich die Reliquienverehrung mit Ablässen. Der Besitz von Reliquien verlieh Ansehen und Einfluss. Nicht zu unterschätzen ist der wirtschaftliche Gewinn aus der Beherbergung von Pilgern.

Als der Kölner Erzbischof Rainald von Dassel 1164 die Reliquien der Hl. Drei Könige aus Mailand nach Köln überführte, verband er damit das Ziel einer geistlichen Vormachtstellung im Heiligen Römischen Reich, insbesondere das Recht, die deutschen Könige zu krönen. Ein ähnliches Anliegen dürfte der Trierer Erzbischof Eberhard von Trier mit der Auffindung der Gebeine des hl. Apostels Matthias 1050 gehabt haben. Als römische Gründung und Grabstätte eines Apostels beanspruchte Trier als zweites Rom den Vorrang unter den deutschen Bischöfen. Diese Verknüpfung von Religion und Politik wurde im Mittelalter nicht als anstößig empfunden.

Der Weg des Apostels von Jerusalem, dem Ort seiner Berufung, nach Trier, dem Ort seiner Verehrung, ist legendenhaft und historisch nicht gesichert. Kaiserin Helena, Mutter des römischen Kaisers Konstantins des Großen, soll die Reliquien entdeckt und dem Trierer Bischof Akritius (+ 330) übergeben haben. Trier war zu dieser Zeit eine römische Kaiserresidenz. Das Areal der heutigen Matthias-Basilika liegt auf einem antiken Gräberfeld an der römischen Straße von Trier nach Metz. In unruhigen Zeiten sollen die Reliquien bei den Gräbern der ersten Trierer Bischöfe Eucharius, Valerius und Maternus begraben und erst 1050 bei Nachforschungen auf Veranlassung Kaiser Heinrichs III. wiederentdeckt worden sein. Der Kaiser soll Teile der Reliquien erhalten und in die Kaiserpfalz nach Goslar übertragen haben. Danach sei das Grab wieder verschlossen worden. Erst um 1127 beginnen die Verehrung des Apostels und die Wallfahrten zu seinem Grab in Trier.

Neben Trier werden Matthiasreliquien auch in Santa Maria Maggiore in Rom und in Santa Giustina in Padua verehrt. Das Matthiashaupt wurde in der 1221 erbauten Matthiaskapelle in Kobern-Gondorf aufbewahrt und gelangte erst in den 1920er Jahren nach Trier.

Der Beginn der Wallfahrten im 12. Jahrhundert scheint mit dem Umbau der Matthiasbasilika in Zusammenhang zu stehen. Das Trierer Pilgerbuch der Jahre 1150 bis 1230 soll 17.000 Namen zählen, angesichts der damaligen Bevölkerungszahl und der schlechten Verkehrswege und Transportmittel eine große Zahl. Möglicherweise sind darunter zahlreiche Jakobspilger, denn Trier liegt an einer der Hauptrouten nach Santiago de Compostella. Für das 16./17. Jahrhundert kann der Einzugsbereich der Wallfahrten auf die Umgebung der Stadt Trier, die Eifel, Luxemburg, den Köln-Bonner Raum, den Westerwald und den Niederrhein eingegrenzt werden. Auch Waldorf, zu dieser Zeit eine Gemeinde im Amt Bonn des Kurfürstentums Köln, zählt zu diesem Einzugsbereich.

Die Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert ist eine schlechte Zeit für Wallfahrten. Sie galten als rückständig. Die Landesfürsten sahen es außerdem nicht gerne, wenn ihre überwiegend in der Landwirtschaft tätigen Untertanen mehrere Tage von ihren Höfen und Feldern fernblieben. 1765 verbietet der Kölner Kurfürst und Erzbischof Maximilian Friedrich mehrtägige Wallfahrten. Nach der Eroberung des Rheinlandes durch französische Revolutionstruppen 1798 werden Wallfahrten und Prozessionen ganz verboten. Erst 1811 werden sie innerhalb der Bistumsgrenzen wieder zugelassen.

Share the Post:

Related Posts