Die Waldorfer Matthias-Wallfahrt
Die lokale Überlieferung nennt das Jahr 1672 als Beginn der Waldorfer Matthias-Wallfahrt. Als Beleg dient eine Gedenktafel zur 200. Wallfahrt im Jahr 1872. Diese Gedenktafel wird in der Trierer Matthias-Basilika gezeigt. Das Liber Confraternitatis 1762 der Abtei St. Matthias nennt Pilger aus Waldorf in Trier. In der Literatur wird für das Jahr 1814 die Existenz einer Waldorfer Pilgerkerze in der Matthias-Basilika erwähnt. Tatsächlich existiert im Stadtarchiv Trier eine Liste von Pfarreien, die nach St. Matthias gewallfahrtet sind und dort eine Kerze gestiftet haben. Die Pfarrei Waldorf wird dort ohne Datum genannt. Der jüngste Eintrag ist aus dem Jahr 1814, so dass die Liste in diesem Jahr oder kurz darauf angelegt worden sein muss.
Den Beginn der Wallfahrt in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts zu suchen, nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, ist glaubwürdig. Dafür spricht das allgemeine Aufblühen des Wallfahrtswesens in der Zeit des Barock, einer Zeit der Schaufrömmigkeit und der Abgrenzung zu protestantischen Konfessionen, die Heiligenverehrung und Wallfahrten überwiegend ablehnten. In dieser Zeit entstehen in unserem Raum viele neue Pilgerbruderschaften, ältere Vereinigungen werden erneuert. Aus dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts stammen Verordnungen, die das Wallfahrtswesen vereinheitlichen und kanalisieren sollen.
Anlass der ersten Wallfahrten nach Trier war der lokalen Überlieferung zu Folge eine Viehseuche oder die Pest. Letztere ist für die Jahre 1665 bis 1669 belegt und mangels medizinischer Möglichkeiten Anlass für Bittprozessionen. Dederichs erklärt, bei der Waldorfer Wallfahrt habe es sich um Dankwallfahrt gehandelt, da man von der Viehseuche verschont geblieben sei. Der Waldorfer Flurname „Siegesmaar“ weist auf ein Siechenhaus hin, in dem Kranke wegen der Ansteckungsgefahr von der Dorfbevölkerung abgesondert wurden. Ein Gedenkstein erinnert heute noch daran und ist damit indirekt ein Zeuge der ersten Wallfahrten.
Dass Waldorf eine alte Matthiastradition hat, zeigt der Neuguss der Glocken im Jahr 1809. Die Inschrift der 3. Glocke nannte den hl. Apostel Matthias als 2. Pfarrpatron. Die Glocke wurde 1942 konfisziert und eingeschmolzen. Sie wurde 1947 durch einen Neuguss mit gleicher Widmung ersetzt.
Die lange Tradition der Wallfahrt begründet eine Verbindung im Glauben über viele Generationen hinweg. Der Glaube an Christus als den Auferstandenen wird von den Aposteln bezeugt und von den Vorfahren überliefert. Der Pilger ist damit ein Bindeglied in der Weitergabe dieses Glaubens. In gleicher Weise berichtet auch Paulus von Tarsus, er habe überliefert, was auch er empfangen habe. Das ist ein wichtiges Anliegen der Wallfahrt: Den
Glauben in einem säkularisierten Zeitalter weiterzugeben, ist die besondere Herausforderung der Pilger in der Gegenwart.
Die St. Matthias-Bruderschaft Waldorf
Nach lokaler Überlieferung wird die St. Matthias-Bruderschaft Waldorf 1807 von Pfr. Johann Urfey (Amtszeit 1797-1814) gegründet. Für das Gründungsjahr 1807 spricht die kurz zuvor erfolgte Aufhebung des Prozessionsverbotes nach dem Konkordat zwischen Papst Pius VII. und Napoleon. Wallfahrten unterstanden der Genehmigung der weltlichen und kirchlichen Behörden. Auch unter preußischer Herrschaft mussten Genehmigungen eingeholt und Teilnehmerlisten geführt werden. Die Gründung der Bruderschaft schuf den erforderlichen
organisatorischen Rahmen für eine solche Genehmigung. Ebenfalls für das Gründungsjahr 1807 spricht die Existenz eines Brudermeisterstabes aus dem Jahr 1806, gestiftet vom Waldorfer Küster Rudolf Knapstein (1751-1835).
Zu möglichen Motiven für die Gründung der Bruderschaft bemerkt Msgr. Dederichs auch, Pfarrer Urfey hätte nach den kirchenfeindlichen Maßnahmen des revolutionären Frankreich im Rheinland dem religiösen Leben der Pfarrei neuen Auftrieb geben wollen. Mit der Gründung der Bruderschaft habe er die Bruderschaftsandacht zu Ehren des hl. Matthias eingeführt.
Eine Gründungsurkunde fehlt bisher im dokumentierten Archivbestand der Bruderschaft. Auch im Historischen Archiv des Erzbistums Köln ist sie nicht zu finden. Es ist möglich, dass sie auf einem alten Dachboden in Waldorf schlummert. Vielleicht ist sie im Laufe der Zeit auch verlorengegangen. Brudermeister sind seit 1895 namentlich bekannt:
- Lambert Engels 1895-1912
- Johann Kluth 1913-1929
- Matthias Schmitz 1930-1967
- Paul Faßbender 1968-1991
- Gerhard-Josef Brühl 1991-2016
- Michael Braun seit 2016
Wallfahrten und Bruderschaften sind in der Regel Laienbewegungen. Das Wallfahrten von Klerikern (Priester, Diakone) begleitet werden, ist eher die Ausnahme. Prägend waren die Teilnahmen der Waldorfer Pfarrer Msgr. Erwin Dederichs (1972 bis 2001) und Werner Kauth (ab 2002). Erst dadurch ist es möglich, täglich die hl. Messe zu feiern. Beide haben den Inhalt der Wallfahrt engagiert und konstruktiv mitgestaltet und so auch die Wallfahrt mitgeprägt, jeder auf seine besondere Weise.
Bruderschaft und Wallfahrt sind beständig im Wandel. Bis zum 1. Weltkrieg gingen die Pilger den Hinweg und den Rückweg zu Fuß. Danach nahm man für die Rückfahrt Bus und Bahn in Anspruch. Unterstützung durch Begleitfahrzeuge gibt es seit 1956.
Die 1960er Jahre bringen einen Niedergang der Wallfahrt. 1969 beschließt eine außerordentliche Mitgliederversammlung, die Wallfahrt auf den heutigen Termin zu verlegen. Seitdem steigt die Zahl der Pilger und pendelt sich ab 2000 auf hohem Niveau ein.
Doch auch inhaltlich hat sich die Wallfahrt verändert. Das Vorbeterbuch ist zuletzt 2014 überarbeitet worden. Das Pilgerbuch aus dem Jahr 2004 wird folgen. 2022 wird die St. Matthias-Bruderschaft Waldorf als eingetragener Verein neu gegründet und als gemeinnützig anerkannt.
Literaturempfehlungen
Bernard, Birgit (1993): Kleine Geschichte der Wallfahrt nach St. Matthias in Trier, Heidelberg: Orientverlag.
Bernard, Birgit (1995): Die Wallfahrten der St.-Matthias-Bruderschaften zur Abtei St. Matthias in Trier vom 17. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, Heidelberg: Orientverlag.
Dederichs, Msgr. Erwin (1980): Chronik der Pfarrei St. Michael Waldorf, Waldorf: Eigenverlag.
Dederichs, Msgr. Erwin (1997): 325 Jahre Waldorfer Trier-Wallfahrt, Waldorf: Eigenverlag.
Geuer, Franz Josef (2016): Die Wallfahrt früher und heute sowie die besonderen Ereignisse in den Jahren 1998-2015, Waldorf: Eigenverlag.
Hörold, Dietrich (2008): Bornheim – Junge Stadt auf altem Kulturboden, Köln: Bachem Verlag.
Mayer, Alois (2008): Zu der Apostel Zahl gesellt durch heilge Wahl – Geschichte der Trierer Matthiasbruderschaften, in: Heimatjahrbuch Vulkaneifel 2008.
Mielenbrink, Egon (2001): Beten mit den Füßen – Über Geschichte und Praxis von Wallfahrten, Kevelaer: Butzon & Bercker.
Stumpf, Gerhard (2022): 350 Jahre Wallfahrt von Waldorf nach Trier 1672-2022, Bornheim: Druckerei Paffenholz.